Initiativen gegen internationale Isolierung: Kommentare

Folgende Kommentare zum Dokument "Initiativen gegen internationale Isolierung" wurden seit 5.4.00 erhalten.

Im Rahmen meiner Aktivitäten am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen sowie von World University Service Austria und des neugegründeten Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie in Graz - ETC und schließlich als Mitglied des Menschenrechtsbeirates des Innenministeriums bin ich mit der von Ihnen angesprochenen Thematik bereits befaßt und bemühe mich meinen Beitrag zu leisten. Über die Internationalität unserer Universität habe ich erst jüngst in "Denken und Glauben" geschrieben, hinsichtlich Fremdenfeindlichkeit ist auf die Publikation von Kollegen Eberhard zu verweisen. Das ETC plant u..a ein Projekt über die Kultur der Menschenrechte, wobei auch Österreich untersucht werden soll. Prof. Dr. Wolfgang Benedek, Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen, wolfgang.benedek@kfunigraz.ac.at

Was mir etwas zu wenig hervorgehoben scheint, ist die Tatsache, daß die "internationale Isolierung" Österreichs hausgemacht ist. Jahrzehntelanges Verdrängen der "eigenen" Vergangenheit (nicht nur der letzten 70 Jahre, sondern der pluralistischen/heterogenen mémoire culturelle/historique), narzistischer Provinzialismus (veranschaulicht durch die Provinzialität der österreichischen Presse) usw. Mit selbst wurde bereits vor 12 Jahren in einer Zuschrift geraten auszuwandern (nach Krakau, Warschau oder Lemberg), da es eine Schande wäre, daß jemand mit diesem undeutschen Namen die österreichische Geschichte vertritt. Prof. Dr. Moritz Csáky, Vorstand des Instituts für Geschichte, Leiter des SFB Moderne, w. Mitglied der Österreichischen und der Ungarischen Akademie der Wisssenschaften, moritz.csaky@oeaw.ac.at

Helmut Konrad hatte 1994 (damals gab es die schreckliche Bombenserie) einen sehr offenen Rundbrief an alle Uniangehörigen geschickt, um einschlägige Aktionen in Gang zu bringen. Eines der Resultate war unsere (inzwischen publizierte) Ringvorlesung "Fremdenfeindlichkeit als gesellschaftliches Problem" Grundsätzlich ist also zu erwägen, ob man nicht etwas offener einschlägige Projekte anregt: Einfach quasi als Brainstorming aufzählen, ohne bestimmte Fakultäten damit zu befassen. Prof.Dr. Helmut Eberhart, Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie, helmut.eberhart@kfunigraz.ac.at

Ich versuche, im Rahmen meiner Wissenschaft zur Aufklärung beizutragen und habe bis jetzt folgendes unternommen: Ich habe einen Referenten zu einem Vortrag über die antifaschistischen Denkmäler des Bildhauers Cremer in Österreich eingeladen. Im WS wird jemand über das Thema der "antisemitischen Ritualmordlegende" sprechen. Ich bin dabei, eine Dissertation über die Denkmäler in Mauthausen zu vergeben. Prof. Dr. Konrad Eberlein, Institut für Kunstgeschichte, konrad.eberlein@kfunigraz.ac.at

Die Ethik-Idee ist elementar. Ich denke, eine positive Weiterentwicklung religiösen Ethos ist ein "Gebot der Stunde", da an der "gemeinsamen Geschichte" kein Weg vorbei führt: von der "blossen" Toleranz zu einer Ethik "Gastfreundschaft" gegenüber dem kulturell, religiös, ethnisch. Prof. Dr. Otto Koenig, Institut für Moraltheologie und Dogmatik, otto.koenig@kfunigraz.ac.at

Der Aufstieg der FPÖ hat in hohem Maße mit der Erstarrung des bisherigen politischen Systems bzw. Regierungen, der Medienkonzentration u.ä. zu tun; dies müßte auch thematisiert werden. Daher scheint mir auch die ausschließliche Fokus auf Fremdenfeindlichkeit in Österreich einseitig; nach meiner internationalen Studie sind die Österreich nicht fremdenfeindlicher als andere westliche Länder, aber deutlich weniger fremdenfeindlich als die meisten mittelosteuropäischen Länder. Man müßte auch die meiner Meinung nach sehr fragwürdige Aktion der EU-Regierungen gegen Österreich eingehen, sowie auf das Demokratiedefizit der EU selber. Prof. Dr. Max Haller, Institut für Soziologie, max.haller@kfunigraz.ac.at

ad 4.a.i: Als Vertreter der romanischen Sprachen kann ich natürlich nicht dafür sein, dass am Institut für Romanistik in englischer Sprache unterrichtet wird. Ich bin mir natürlich der Tatsache bewußt, dass Englisch als internationale Verkehrssprache üblich geworden ist, meine aber, dass auch andere Sprachen in dieser Richtung gefördert werden sollen, z. B. Französisch oder Spanisch. Ich halte dies auch deshalb für wichtig, weil Englisch zwar eine derzeit übliche Verkehrssprache ist, dass Englisch aber keineswegs überall zur Kultursprache werden sollte. Dies im Sinne einer in meinen Augen wichtigen Multikulturalität. Prof. Dr. Klaus Lichem, Institut für Romanistik, lichem@hermes.kfunigraz.ac.at

Als ich Ihre Initiative bzw. Ihre Vorschläge las, musste ich unwillkürlich an die Vertreibung der Theol. Fakultät aus unserer Universität am 1.April 1939 denken und wie die anderen Fakultäten die "Beute" Theologie aufteilten.Univ.-Prof. Dr. Maximilian Liebmann, Institut für Kirchengeschichte, poiera@hermes.kfunigraz.ac.at

Ich betrachte in einer "Initiative gegen internationale Isolisierung" eine problematische Verschiebung der Problematik, mit der wir es zu tun haben. Was wir dringend brauchen, ist eine Initiative zu einer vernüftigen Aufarbeitung der Verfassung der politischen Kultur Österreichs. Das Klagen über die Isolation versetzt uns wieder in eine Opferrolle, die es uns erspart, über unsere politische Verantwortung im Umgang mit der Vergangenheit und Gegenwart zu stellen. Prof. Dr. Elisabeth List, Institut für Philosophie, elisabeth.list@kfunigraz.ac.at

Fremdenfeindlichkeit ist ein sozialpsychologisches Phänomen, man muß daher vordringlich analysieren, was in der NS-Zeit die (psychologischen) Motive und Randbedingungen waren, die zu diesen furchtbaren Entwicklungen geführt haben. Man muß aber vor allem analysieren, welche Randbedingungen es heute sind, die ähnliche Entwicklungen begünstigen (in Bosnien u. Kosovo z.B., aber auch in ersten Ansätzen bei uns). Prof. Dr. Günter Schulter, Institut für Psychologie, guenter.schulter@kfunigraz.ac.at

Viel wichtiger wäre es jedoch zu den wirklich aktuellen Vorhaben der Bundesregierung, zu ihren Außerungen und Absichten Stellung zu beziehen. Die FPÖ und ihre Rolle in der neuen Bundesregierung wird mit keinem Wort erwähnt. Ich rege daher als zusätzlichen Punkt die Untersuchung der Geschichte der FPÖ und vor allem die Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation an. Es gibt beispielsweise Veranstaltungen von Studierenden aus Klagenfurt, die über konkrete Änderungen seit der Installierung Haiders als Landeshauptmannes in Kärnten und seines Kulturbeauftragten Mölzer berichten. Interessant wäre zu fragen, inwieweit sich diese Tendenzen aus Kärnten bereits auf Bundesebene feststellen lassen. Sabine Seuß, Studierende der Universität Wien, a9005713@unet.univie.ac.at

Die Theologische Fakultät hätte sich auch darüber Gedanken zu machen, wie Letztbegründung konkreter menschlicher Existenz ganz besonders im Angesicht der Herausforderungen durch Diskriminierung und Demagogie aussehen könnte, ohne selbstrekursiv zu werden. Hört sich kompliziert an - stark vereinfacht: Wie können wir den Wert des Menschen, insbesondere des (in welcher Form auch immer) leidenden, konsequent begründen, ohne irgendwo abzubrechen ("Das ist halt so!") oder in einen Zirkel zu kommen ("Das ist so, weil es so ist und immer schon so war"). Dr. Christian Wessely, Institut für Fundamentaltheologie, christian.wessely@kfunigraz.ac.at

 

STIMMEN AUS DEM AUSLAND

Die Entwicklung in Österreich ist nicht isoliert von der Entwicklung in verschiedenen Ländern Westeuropas zu betrachten. Der offensive Umgang gegen Fremdenfeindlichkeit und die Grazer Initiative, eine fortwährende Diskussion mit entsprechender, offener Informationspolitik an den Universitäten zu führen, halte ich für eine im Augenblick sehr notwendige und, wie zu hoffen bleibt, effektive Maßnahme. In Deutschland sind die Zahlen ausländischer Studierender seit Jahren rückläufig. Setzt sich die politische Tendenz durch, auf die beispielsweise derzeit Herr Rüttgers in Nordrhein-Westfalen mit seiner unsäglichen Kampagne setzt, könnten neben den strukturellen Defiziten noch politische Richtungswechsel gerade in den Bundesländern, die ja die Bildungshoheit besitzen, zur weiteren Verschlechterung dieser Situation auch in Deutschland beitragen. Dass dies nicht geschieht und dass ein Bewusstsein über die Notwendigkeit der Anwesenheit von ausländischen Staatsbürgern an den Universitäten im allgemeinen Bewußtsein zu verankern ist, sollte Anliegen aller Hochschullehrenden sein. Dr. Gunter Kreutz, JWG-Universität Frankfurt, G.Kreutz@em.uni-frankfurt.de

Sensibilisierungs- und Bewusstseinsarbeit kann mit Kontakt über die Grenzen hinaus verbunden werden: Bürger- oder Kulturinitiativen (an oder außerhalb der Universitäten), die in anderen Ländern - z. B. in Frankreich gegen Front National - ausgearbeitet wurden, können als Anregung dienen und einen direkten Austausch ermöglichen (d.h. Vorträge von Aktiven über politische Probleme und Auswirkungen, Gegenaktionen und Bewusstseinsarbeit). Die Initiativen schlagen Multimediakampagnen vor. Die Kreation künstlerischer Aktionen (Ausstellungen oder Theaterstücke mit Sensibilisierung auf das Thema Randgruppen/Außenseiter) ermöglichen ergänzende Ansatzpunkte, die Bevölkerung anzusprechen und "aufzuwecken", - es würde die Kunstwissenschaftsabteilungen in das Projekt miteinbeziehen. Barbara Tillmann, PhD, Dartmouth College, USA, Barbara.Tillmann@Dartmouth.EDU

 

Betreuer: parncutt@kfunigraz.ac.at
zuletzt bearbeitet 9.6.2000