Anregungen zur
Entwicklung der österreichischen Universitäten
Suggestions for the Development of
Austrian Universities - Richard
Parncutt
Ich interessiere mich für Fragen der Universitätsentwicklung. Wie können die wissenschaftlichen Zielsetzungen von Universitäten sinnvoll formuliert und erreicht werden? Welche gesellschaftlichen und politischen Rollen haben moderne Universitäten?
Auf den bekannten Listen der 100 besten Universitäten (Newsweek; Shanghai Jiaotong University; siehe auch Wiki) scheinen nur sechs deutschsprachige Universitäten auf: ETH Zürich, Uni Zürich, Uni München, Uni Wien, TU München und Uni Heidelberg. Meine Universität, die Uni Graz, z.B. nicht. Was ist das Problem? Finanzierung? Infrastruktur? Sprachbarrieren? Einstellung zur Internationalität? Zum Wettbewerb? Zur wissenschaftlichen Qualität? Zur Kreuzgutachtung (peer review)? Zur Obrigkeit? Zur kulturellen Vielfalt? Zur Gleichstellung und Frauenforderung? Zur Demokratie? Diese wichtige Problematik wird seit Jahren an deutschsprachigen Universitäten auf allen Ebenen angesprochen. Inwieweit werden Worte in Taten umgesetzt?
Am 25.05.2007 kündigte der Rektor der Uni Graz, Univ.-Prof. Dr. Alfred Gutschelhofer, in "Uni News" Folgendes an : "Die Karl-Franzens-Universität Graz erfüllt ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag entsprechend eine wesentliche Funktion als Forum für den Dialog und den offenen Meinungsaustausch. Dieser bedeutenden Rolle soll auch in Zukunft großes Augenmerk geschenkt werden." Aufgrund meiner internationalen Erfahrung (Ausbildung in Australien; Forschung und Lehre in Deutschland, Schweden, Kanada, England) glaube ich, dem Rektorat der Universität Graz und anderen, die die Zukunft der Universität mitplanen, nützliche Ideen anbieten zu können.
Die Ideen auf dieser Seite sind nicht immer fertig ausgedacht, gut organisiert oder schön formuliert. Zur Kreativität gehört bekanntlich eine gewisse Unordnung, zur Internationalität auch sprachliche Mangel.
Einige meiner Anregungen wären zur Zeit in Österreich aus rechtlichen Gründen nicht realisierbar. In solchen Fällen rege ich an, auf entsprechende Gesetzesänderungen hinzuwirken. Dass dies einfacher ist, zu sagen, als zu tun, versteht sich von selbst. Mir geht es in erster Linie um Ideen, die in der Zukunft realisierbar werden könnten.
Aus der soziologischen Forschung ist bekannt, dass Gruppen erfolgreicher sind, deren Mitglieder klare, ausgeglichene Rollenverhältnisse aufweisen und partnerschaftlich (kollegial) miteinander umgehen. Belbin (1993) identifizierte verschiedene Teamrollen wie z.B. BeobachterIn, PerfektionistIn, UmsetzerIn, SpezialistIn. Detailprobleme können oft in kollegialer Zusammenarbeit unter Teammitgliedern mit verschiedenen Rollen gelöst werden. Ich übernehme in diesem Dokument die Rolle des Erfinders, weil ich gern an einer erfolgreichen Universität tätig bin und zum langfristig Erfolg meiner Universität beitragen will. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Universitätsleitung im Rahmen einer langfristigen Strategie solche Aktivitäten direkt fördern würde. Das könnte zu einer Verstärkung der Kreativität, der Zukunftsorientierung und der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Universität führen.
Da ich selbstverständlich nicht über alle wichtigen Aspekte der angesprochenen Probleme informiert bin, freue ich mich immer über Vorschläge zur Verbesserung dieses Dokuments per Email an ((my last name))@uni-graz.at.
Literaturempfehlung: Folgende kurze Schrift enthält zahlreiche viel versprechende Anregungen zur Entwicklung österreichischer und europäischer Universitäten: Feik, R. (2005). Europäische Impulse für das österreichische Universitätsorganisations- und -dienstrechtrecht. Unilex 1-2, 25-27.
© Scott
Adams (1996). Dogbert's Management Handbook. New York:
HarperCollins.
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Inhalt
Ziele
Fähigkeiten
Motivation
Weiteres...
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Die Ziele dieser Anregungen
Die Ziele einer Universität
Ein einziges Hauptziel: gute Wissenschaft. Um "Weltklasse" zu werden, braucht eine Universität zuerst klare, transparente, konsensfähige Ziele. Das erste und eigentlich einzige Ziel aller universitären Bemühungen soll m.E. - entweder direkt oder indirekt - die Förderung der wissenschaftlichen Qualität sein, denn Universitäten sind in erster Linie da, um gute Wissenschaft zu fördern. Dafür werden sie öffentlich finanziert. Erstaunlicherweise findet man diesen Punkt im Universitätsgesetz 2002 nicht. Auch alle Organisationseinheiten und Subeinheiten einer Universität sollen dieses gleiche Hauptziel verfolgen und alle anderen Ziele sollen diesem Hauptziel unterordnet werden. (So unterscheiden sich Universitäten von Fachhochschulen, die im Übrigen nicht weniger wichtig sind, sondern lediglich einen anderen Schwerpunkt haben: sie sind im Vergleich zu Universitäten eher lehre- und anwendungsorientiert, was nicht verhindert, dass sie auch Grundlagenforschung betreiben.)
Es ist viel versprechend, dass die Uni Graz systematisch Leistungs- und Qualitätsmanagement betreibt (eigentlich Leistungs- und Qualitätsförderung). Leider nimmt diese Gruppe keine Anregungen zur Entwicklung der Universität direkt von Universitätsmitgliedern auf. Solche bottom-up-Anregungen sollen über den Dienstweg, d.h. über InstitutsleiterIn und DekanIn eingebracht werden. Für viele Mitglieder der Universität ist diese Option unrealistisch. Gerade eine solche Einheit sollte die Freiheit haben, Anregungen aller Universitätsmitglieder vertraulich und unabhängig vom Dienstweg einzuholen und zu bearbeiten. Für andere Zwecke kann der Dienstweg ruhig noch existieren und funktionieren!
Transparenz durch Leitbilder. Um dieses Ziel zu erreichen und um Transparenz und die damit verbundene Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit zu fördern, sollen alle Organisationseinheiten und Subeinheiten einer Universität ein Leitbild auf jeweils ca. einer Seite formulieren (vgl. Leitbild der Uni Graz; Leitbild des Instituts für Geographie und Raumforschung). Ein Leitbild ist eine präzise, öffentlich verständliche Antwort auf die Frage, warum die Einheit oder Subeinheit existiert und warum die Öffentlichkeit sie finanziell unterstützen soll. Alle Aktivitäten der (Sub-) Einheit sollen so weit wie möglich im Einklang mit dem Leitbild stehen. Das Leitbild soll nicht nur die Zukunftsperspektiven der Leitung, sondern auch so weit wie möglich die Meinungsvielfalt der anderen Mitglieder berücksichtigen. Da diese sich gelegentlich ändern, soll das Leitbild auch gelegentlich überarbeitet werden.
Integration in die Informationsgesellschaft. Alle reden von der postindustriellen Informationsgesellschaft. Wie oft sind dabei die Universitäten gemeint? Nicht oft genug, wenn man bedenkt, dass die Universitäten nicht nur mit Information arbeiten, sondern vor allem mit der Qualität von Information. Aus dieser Sicht sollten die Unis bestens in der Lage sein, in einer dynamischen, globalen Informationsgesellschaft einen relevanten Beitrag zu leisten. mehr
Alle Mitglieder einer Universität, deren Aufgabe primär wissenschaftlich ist - auf allen Ebenen von Studierenden bis zu ProfessorInnen - sollen nach Verfahren ausgewählt werden, die ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten nach möglichst internationalen, objektiven, fairen, transparenten, fachintern bestimmten Kriterien bewerten. Wenn eine Universität in erster Linie nach wissenschaftlicher Qualität strebt, sollen auch die wissenschaftlichen Fähigkeiten von Universitätsmitgliedern, die länger an der Universität tätig sind, gelegentlich evaluiert werden.
Studierende
Offener Zugang. Theoretisch haben alle ÖsterreicherInnen die Möglichkeit, an der Universität zu studieren. In der Realität ist der Zugang zu österreichischen Unis im internationalen Vergleich kaum offen. Die Entscheidung, ob ein österreichisches Kind zur Uni geht, fällt für viele schon im Alter von ca. 10 Jahren, als die Wahl zwischen AHS Unterstufe (Gymnasium) und Hauptschule getroffen wird. Die Unis sollen für eine Verschiebung dieses kritischen Zeitpunktes eintreten.
Die Qualität wissenschaftlicher Leistungen an österreichischen Universitäten leidet unter dem "offenen Zugang". Lehrende müssen das Niveau ihrer Lehre nach unten einstellen, um Studierende mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten effektiv betreuen zu können. Das wissenschaftliche Personal muss auch mehr Zeit der Lehre widmen, mit dem Ergebnis, dass es weniger Zeit für Forschung hat.
Ein numerus clausus zu Beginn des Studiums wäre keine gute Lösung, weil die Maturanoten offenbar vom Standard der Schule und vom Einkommen der Eltern abhängen. Ein numerus clausus würde viel versprechende Studierende aus ärmeren oder ländlichen Verhältnissen ausschließen.
Eine bessere, wenn keinesfalls perfekte, Lösung wäre eine "knock-out-Prüfung" am Ende des ersten Studienjahres in allen Studienrichtungen. Einerseits hat jede/r Student/in das Recht, die Universität zu erleben und im Rahmen eines ersten Jahres zu zeigen, dass sie oder er wissenschaftliches Potenzial hat. Andererseits haben die Universitäten die Aufgabe, wissenschaftliche Qualität zu fördern. Diese Aufgabe kann nur unter folgenden Bedingungen erfüllt werden:
Vor diesem Hintergrund sind die einkommensabhängigen Leistungsstipendien zu begrüßen. Vor allem Studierende, die gute wissenschaftliche Leistungen bringen und deren Eltern ein relativ niedriges Einkommen haben, sollen identifiziert und gefördert werden. Im Vergleich dazu haben die Studiengebühren wenig Sinn: die bringen für die Unis relativ wenig Einkommen, ihre Verwaltung kostet relativ viel Geld und sie führen nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Qualität oder der Leistung der Studierenden. Sinnvoller wäre eine AkademikerInnensteuer: wer an einer Universität ein Studium abgeschlossen hat, sollte es sich leisten können, später etwas mehr Einkommensteuer zu zahlen. Darüber hinaus wäre die Familienbeihilfe etwas zu erhöhen oder durch ein Grundeinkommen zu ersetzen.
Wer die vorgeschlagenen knock-out-Prüfungen am Ende des ersten Jahres erfolgreich absolviert, müsste dann die Möglichkeit haben, in der jeweiligen Mindestzeit das Studium abzuschließen. Die Anzahl der Studierenden im zweiten Jahr und in weiteren Jahren eines Studiengangs wäre möglichst als Quota im Vorraus festzulegen, damit gute Lehrende und Räume zeitgerecht gefunden werden können. Die Studierenden, die durch die Prüfungen am Ende des ersten Jahres durchfallen, würden zumindest eine ehrliche Botschaft von der Universität bekommen: "Es tut uns leid, dass wir nicht alle Interessenten akzeptieren können".
Objektive Prüfungen. Wichtige Prüfungen wie die Matura und die Diplomprüfung sollen extern benotet werden, d.h. von anonymen ExpertInnen und keinesfalls von der eigenen Lehrkraft oder von einer Person, die den/die Studierende/n persönlich kennt. Nur so kann Objektivität und ein hoher, international konkurrenzfähiger Standard angestrebt werden. Dieses Prinzip gilt insbesondere für schriftliche Klausurarbeiten im Rahmen der Matura und für Bakkalaureats- und Diplomarbeiten. Wenn mündliche Prüfungen aus finanziellen oder anderen Gründen nicht von externen ExpertInnen durchgeführt werden können, sollen sie aus Gründen ihrer fehlenden Objektivität abgeschafft werden. Solange dies nicht geschieht, werden Noten durch irrelevante Faktoren wie Geschlecht, Alter, Aussehen, Akzent, Höflichkeit, Obrigkeitsverhalten oder Einschmeicheln beeinflusst. Dieser Punkt soll bitte nicht unterschätzt werden! Auf dem Spiel stehen nicht nur die wissenschaftliche Qualität, sondern auch die ganze wissenschaftliche Kultur - denn eine möglichst objektive Qualitätskontrolle gehört zu den besten Strategien, eine partnerschaftliche Leistungskultur zu fördern.
Internationalität. Ausländische Studierende an österreichischen Universitäten - egal ob sie z.B. aus Deutschland, Nigeria, den USA oder China stammen - haben zurzeit im Schnitt ein niedrigeres wissenschaftliches Niveau als inländische Studierenden. Der Grund: Gute Studierende in anderen Ländern, die ihr Studium in einem anderen Land fortsetzen wollen, tendieren Zielländer zu wählen, deren Universitäten einen guten internationalen Ruf haben (wie z.B. England oder die USA). Das Niveau der ausländischen Studierenden spiegeln die Qualität der heimischen Unis wieder. Nur wenn die österreichischen Universitäten einen besseren internationalen Ruf erlangen, werden besonders fähige, ehrgeizige junge Menschen aus anderen Ländern Österreich aufgrund ihrer Universitäten und nicht aus anderen Gründen als Zielland wählen. Dies wird die Qualität des Studiums in Österreich noch weiter erhöhen und indirekt zum Abbau der Fremdenfeindlichkeit sowohl innerhalb als außerhalb der Universität führen.
Betreuung. Alle Habilitierten haben das Recht, im Rahmen ihrer Lehrbefugnis (venia) zu lehren und Abschlussarbeiten zu betreuen und zu prüfen. Doch sind die meisten Habilitierten nur in einem Teilbereich ihrer venia durch international anerkannte Forschungsbeiträge ausgewiesen. Um wissenschaftliche Qualität zu fördern, soll die Betreuung von Abschlussarbeiten nach Möglichkeit nur von international anerkannte ExpertInnen im spezifischen Bereich der Arbeit erfolgen. Die Studiendekane hätten die Möglichkeit, im Namen des Studiendirektors und im Interesse der wissenschaftlichen Qualität BetreuerInnen zu empfehlen, ihre Betreuung nach Möglichkeit auf das Gebiet ihrer international nachgewiesenen Kompetenz zu beschränken. BetreuerInnen sollen auch die Möglichkeit haben, im Rahmen des spezifischen Forschungsbereichs, indem sie international ausgewiesen und anerkannt sind, international übliche Qualitätsstandards zu setzen, die von anderen KollegInnen respektiert werden müssen.
Wie wird ohne venia die Lehre betraut? Ganz einfach: Die Lehre muss in jeder einzigen LV forschungsgeleitet sein. Für jede LV kontrolliert der/die Studiendekan/in, ob die von der CuKo vorgeschlagene Lehrkraft im Rahmen der LV gute (neuere, internationale) Publikationen hat oder nicht bzw. ob er/sie die beste verfügbare Person für die Aufgabe ist. Das gleiche gilt für die Betreuung von Abschlussarbeiten: Studierende haben das Recht zwischen möglichen BetreuerInnen zu wählen, vorausgesetzt, dass der/die gewählte Betreuer/in relevante Qualifikationen und Publikationen hat. Bei Unsicherheit bittet der/die Studiendekan/in um ExpertInnenrat aus In- oder Ausland.)
Förderung von DissertantInnen. Die Universität und der Bund könnten jungen ForscherInnen und ihren BetreuerInnen viel mehr Unterstützung bieten. Österreichische DissertantInnen stellen die Zukunft der österreichischen Wissenschaft dar und brauchen DRINGEND mehr finanzielle Unterstützung. Im Jahr 2007 erhalten nur ca. 10% ein Stipendium!!! Auch interessant wäre eine Art Graduate School.
Kreativität im Doktoratsstudium. Sollen Doktoratstudien eigene inhaltliche Lehrveranstaltungen enthalten (d.h. außer Forschungskolloquien)? Ich bin dagegen. Der Unterschied zwischen Master und Doktorat liegt doch darin, dass die LVn zu Fachinhalten am Ende des Masterstudiums aufhören. Auf dieser Grundlage soll ein/e Dissertant/in in der Lage sein, einen eigenständigen Beitrag zur Wissenschaft zu leisten. Der Besuch von LVn im Rahmen des Doktorats soll lediglich dazu dienen, relevante fachübergreifende Informationen oder Fähigkeiten nachzuholen, die für das spezifische Thema der Dissertation relevant sind. Weit wichtiger als der Besuch von LVn auf dieser Ebene ist die Präsentation von (Zwischen-) Ergebnissen auf internationalen Tagungen mit Kreuzgutachtung. Wünschenswert wäre auch der Besuch fachübergreifender Kurse zu wissenschaftlichen Grundfähigkeiten wie z.B. Publikation in Fachzeitschriften mit Kreuzgutachtung und Formulierung von Drittmittelanträgen. Ob der/die Kandidat/in einen wesentlichen Beitrag zur Wissenschaft geleistet hat, kann in der Praxis nur von unabhängigen internationalen ExpertInnen und aufgrund eines Textes (der Dissertation) entschieden werden. Die Doktoratsprüfung wird zur Formalität, wenn der/die Kandidat/in im Themenbereich der Dissertation schon mehr als einen Artikel in mehr als einer Fachzeitschrift mit Kreutzgutachtung publiziert hat.
Wissenschaftliches Personal
Die Qualität der wissenschaftlichen Leistungen einer Universität hängt in erster Linie von den Fahigkeiten, Aktivitäten und persönlichen Qualitäten der Universitätsmitglieder ab, was langfristig wiederum von Berufungsvorgängen abhängt. Wenn an einem Institut eine Stelle ausgeschrieben wird, soll man zuerst die wissenschaftlichen Bedürfnisse des Instituts in Forschung und Lehre analysieren. Dies soll unter Berücksichtung aller relevanten führenden internationalen Zeitschriften, Tagungen, Gesellschaften und Institute im Bereich entsprechend dem Namen bzw. dem Leitbild des Instituts erfolgen. Daraufhin soll die geeignetste Person der internationalen Fachwelt gesucht werden, um die aktuellen wissenschaftlichen Bedürfnisse des Instituts zu erfüllen. Dass dieses Ziel tatsächlich verfolgt und eine solche Internationalität tatsächlich angestrebt werden, soll klar aus öffentlich verfügbaren Dokumenten hervorgehen (Transparenz).
Internationalität des Doktorats und der Habilitation. Im globalisierten 21. Jahrhundert sollen alle Dissertationen und Habilitationsschriften in der internationalen (d.h. globalen) Sprache des jeweiligen Fachs verfasst werden, damit diese Schriften durch international führende ForscherInnen im Bereich des spezifischen Fachs und des spezifischen Themas evaluiert werden können. Nur so kann ein konsequent globaler Standard angestrebt werden. In den meisten Fällen ist diese Sprache Englisch; zu den Ausnahmen gehören sprachbezogene Fächer wie z.B. Germanistik und Slawistik. Parallel dazu müsste man Deutsch als Wissenschaftssprache fördern. Eine Möglichkeit wäre, zu verlangen, dass deutschsprachige KandidatInnen für die Habilitation ihre Forschung auch in deutschsprachigen Zeitschriften publizieren. mehr
Berufungskommissionen (BK). Die langfristige wissenschaftliche Qualität des universitären Outputs hängt in erster Linie davon ab, wie Entscheidungen in BKs getroffen werden (mehr). Aus diesem Grund sollte intensiv über den Berufungsvorgang nachdacht werden. Die allgemeinen Prinzipien für die Wahl neuer ProfessorInnen sollen klarer definiert werden. Auf dieser neuen Grundlage sollte das Rektorat einzelne Berufungsverfahren stärker kontrollieren können.
Der Berufungsvorgang an österreichischen Universitäten wird derzeit durch das Universitätsgesetz 2002 (UG02) geregelt, das leider an mehreren Punkten dem Ziel der Regierung, eine universitäre "Weltklasse" zu erreichen, widerspricht. Doch gibt das UG02 den Universitäten auch eine gewisse Freiheit, die ausgenutzt werden soll.
Ziel: durch Transparenz amtliche Verantwortung fördern
Strategie: Zur Zeit werden Berufungsvorgänge im deutschsprachigen Raum streng geheim gehalten, was den Mitgliedern von BKs erlaubt, Entscheidungen zu treffen, die in ihrem persönlichen Interesse, nicht jedoch im wissenschaftlichen Interesse der Universität liegen. Dieses Problem kann zum Teil gelöst werden, wenn mehr über die Gründe für die verschiedenen Entscheidungen, die zur Besetzung einer Stelle führen, veröffentlicht werden. Die einzelnen KandidatInnen sollen das Recht haben, die protokollierten Begründungen für Entscheidungen, die ihre Person betreffen, zu lesen. Dieser Vorschlag entspricht dem schwedischen Öffentlichkeitsprinzip, nachdem möglichst alle behördlichen Dokumente öffentlich zugänglich sind.
Ziel: für jede Stelle die geeignetste Person der internationalen Fachwelt finden
Strategien:
Ziel: in Berufungskommissionen nach höchsten internationalen wissenschaftlichen Standards vorgehen
Strategien:
Ziel: (langfristig) einen Frauenanteil von bis zu 40% in allen Professorenkurien anstreben
Dieses Ziel wurde im UG02 festgeschrieben. Der Sinn dieses Gesetzes wird m.E. oft missverstanden. Es geht nicht in erster Linie um Moral und Fairness (obwohl diese Faktoren selbstverständlich auch wichtig sind), sondern um wissenschaftliche Qualität und Relevanz sowie um wirtschaftliche Effizienz: durch Vielfalt wird die wissenschaftliche Qualität und Relevanz der Universitäten langfristig gefördert, und durch Gender Mainstreaming wird die erhebliche finanziellen Investition des Staats in die Ausbildung von Frauen und Männern verwirklicht.
Strategien:
Ziel: bei der Personalsuche und -wahl auch relevante örtlicher Expertise nutzen
Strategien:
Ziel: öffentliches Bewusstsein für typische universitäre Löhne und Gehälter und für unbegründete Lohnunterschiede (insb. zwischen Männern und Frauen) verbessern; auch außerhalb der Universität Lohntransparenz als langfristige Strategie gegen Armut fördern
Strategie: mit allen neuen MitarbeiterInnen (inkl. ProfessorInnen) vereinbaren, dass ihre Löhne und Gehälter im Internet veröffentlicht werden
Kreuzgutachtung (Peer Review)
Die Förderung wissenschaftlicher Qualität ist das wichtigste Ziel einer Universität (mehr). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Kreuzgutachtungsverfahren konsequent gefördert werden.
Sprachproblematik. Es gehört zweifellos auch zu den wichtigsten Aufgaben einer deutschsprachigen Universität, die deutsche Sprache zu fördern (mehr). Darf dies auf Kosten der Forschungsqualität erfolgen? Die deutschsprachige Wissenschaft verbirgt sich hinter einer Sprachmauer, die eine Evaluation durch die große Mehrzahl der internationalen ExpertInnen im jeweiligen Fach verhindert. Fällt diese Mauer weg, fühlen sich die AutorInnen verständlicherweise entblößt und verletztlich. Doch diese Mauer muss wegfallen, wenn die deutschsprachige Wissenschaft international ernst genommen werden soll. Die Globalisierung der Wissenschaft ist da und kann nicht rückgängig gemacht werden. Für englischsprachige WissenschaftlerInnen existiert keine solche Mauer; wie sie gilt: "What you don't know can't hurt you". Wer die wissenschaftliche Qualität eines Textes auf höchster internationaler Ebene prüfen lassen will, hat keine Alternative, als den Text in der internationalen Sprache des jeweiligen Fachs zu verfassen. Auch wenn diese Sprache meistens nicht Deutsch ist, kann Deutsch parallel dazu als Wissenschaftssprache durch deutschsprachige Übersetzungen, Zusammenfassungen, kritische Kommentare, Internetforen und natürlich nach wie vor durch Lehre, Seminararbeiten usw. gefördert werden. Wie wäre es mit zweisprachigen Masterstudien, in denen die deutsche und die englische Sprache auf allen Ebenen (Sprache der LVn, der Literatur, der Prüfungen...), gleichrangig sind? Mit internationaler englischsprachiger Werbung könnten die österreichischen Universitäten viele internationale Studierende anziehen, die nicht nur ein bestimmtes Fach, sondern auch gleichzeitig die deutsche Sprache lernen wollen. So kann wissenschaftliche Mehrsprachigkeit nachhaltig und international gefördert werden. Nach dem Vorbild der Académie française sollten meines Erachtens auch Anglizismen konsequenter vermieden werden. Zu den irritierenden Anglizismen gehören Wörte wie "Exzellenz", die die zwar nicht aus dem Englischen stammen, doch häufig im Deutschen verwendet werden, weil sie im Englischen (excellence) üblich sind. What's wrong with "Spitzenleistung"? Wir brauchen also (1) eine neue Kultur der wissenschaftlichen Zweisprachigkeit und (2) eine neue Kultur der internationalen Imagepflege und Werbung.
Gewi versus Nawi. In unserem Leitbild heißt es: "Die Karl-Franzens-Universität versteht sich als eine naturwissenschaftliche, gesellschafts- sowie sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Universität...". Wie bitte? Die Geistes- und Kulturwissenschaften müssen nicht nur in diesem Satz genannt werden, es müsste auch klar sein, dass Gewi-Kuwi grundsätzlich wissenschaftlich gleichwertig ist, wie Nawi und Co. Ohne Kultur ist der Mensch kein Mensch. Daraus folgt, dass die wissenschaftliche Qualität in den verschiedenen epistemologischen Gruppen (etwa Gewi und Nawi) gleichermaßen gefördert werden soll. Diese Idee führt zu einer weiteren Schlussfolgerung, nämlich, dass internationale Kreuzgutachtungsverfahren genauso wichtig sind für Gewi wie für Nawi. (Im Übrigen kann der englische Ausdruck „Peer Review“ in dieser Diskussion vermieden werden.)
Begutachtung von Monographien und herausgegebenen Bändern. In den Geisteswissenschaften werden häufiger Bücher publiziert, als in den Naturwissenschaften. Kein Problem! Viele wissenschaftliche Bücher werden schon jetzt international und anonym kreuzbegutachtet, vgl. 1, 2, 3, 4. Aus dieser Logik geht hervor, dass der so genannte „Performance Record in UniGrazOnline (warum heißt das System nicht etwa "wissenschaftlicher Leistungsregister"?) kreuzbegutachtete Publikationen hervorheben soll - auch Bücher und geisteswissenschaftliche Schriften. In diesem System sollte die Qualität der wissenschaftlichen Leistungen sichtbar sein - nicht nur die Quantität.
Kollegialität. Gutachtungsverfahren müssen kollegial erfolgen, damit die Motivation der evaluierten Personen nicht darunter leidet. Viele Universitäten haben im eigenen Interesse konkrete Schritte gesetzt, z.B. Heidelberg. Hinken die österreichischen Universitäten nach? Wir brauchen eine partnerschaftliche Kultur, in der es normal ist, sich gegenseitig konstruktiv zu kritisieren und begründete Anregungen in die Praxis umzusetzen. mehr
Diversitätsförderung. Die Frauen- und Fremdenförderung kann als Aspekt der wissenschaftlichen Qualitätsförderung betrachtet werden. Um (auch unbewusste) Diskriminierung von Frauen und „Fremden“ (etwa von Autoren, die "Shirley" oder „Hussein“ heißen) sollen Begutachtungen nach Möglichkeit doppelblind erfolgen.
Nachwuchs. Bei Stellenbesetzungen könnte das wissenschaftliche Personal vertraglich verpflichtet werden, bei solchen Maßnahmen konstruktiv mitzuwirken.
Evaluation des wissenschaftlichen Personals
Die Studierenden werden regelmäßig evaluiert. Warum nicht auch das wissenschaftliche Personal? Grundprinzipien:
Evaluationswiki. Es wäre möglich, allen Mitgliedern des wissenschaftlichen Personals gelegentlich vertrauliche Rückmeldungen zu ihren persönlichen Leistungen in den Bereichen Lehre, Forschung und Verwaltung zu geben. Um wirkungsvoll zu sein, müssten solche Rückmeldungen immer konstruktiv und realistisch sein. Um Anonymität zu gewährleisten, könnten diese Beiträge aus verschiedenen hierarchischen Ebenen stammen. Individuen sollten nicht gezwungen werden, sich evaluieren zu lassen oder auf Rückmeldungen zu reagieren, sondern in einer partnerschaftlichen Atmosphäre dazu motivert werden.
Dieses Konzept könnte m.E. kostengünstig und mit minimaler menschlicher Betreuung mithilfe eines Softwaresystems nach dem Vorbild von Wikipedia realisiert werden. Das System würde zuerst für jedes Mitglied der Universität eine Liste von anderen Mitgliedern erstellen, die die Leistungen der zu evaluierenden Person im Bereich Lehre, Forschung oder Verwaltung gut kennen müssten. Diese Informationen könnten automatisch aus dem Internet entnommen werden. Sobald für ein bestimmtes Universitätsmitglied mindestens ca. 20 mögliche EvaluatorInnen identifiziert werden könnten, würde das System Kontakt mit der zu evaluierenden Person aufnehmen und nachfragen, ob sie mit einer Evaluation einverstanden wäre. Die zu evaluierenden Person würde auch die Gesamtliste der möglichen EvaluatorInnen erhalten und die Möglichkeiten haben, Einträge zu löschen bzw. die Liste zu ergänzen. Das System würde dann drei EvaluatorInnen - eine/n Student/in, ein Mitglied des Mittelbaus und eine/n Professor/in - nach dem Zufallsprinzip wählen und diese per E-Mail fragen, ob sie unter genannten Bedingungen bereit wären, am Projekt teilzunehmen. Wenn ja, würde das System die EvaluatorInnen auffordern, gemeinsam nach dem bekannten Wikivorgang Vorschläge für die zu evaluierende Person zu formulieren. Jede/r Evaluator/in hätte zu kontrollieren, dass alle Vorschläge im Text konstruktiv und realistisch sind. Die Identität der drei AutorInnen wären nicht nur von der evaluierten Person, sondern auch voneinander abgeschirmt. Sollte ein/e Evaluator/in die Identität eines/r anderen Evaluators/in vermuten, wäre er/sie dazu verpflichtet, den Vorgang abzubrechen. Das System würde den endgültigen Text der evaluierten Person per E-Mail schicken. Sie hätte dann die Möglichkeit, sich anonym anhand vom Inhalt zu verbessern bzw. freiwillig eine Stellungnahme im Internet zu veröffentlichen. Sie würde auch die Freundlichkeit des Textes und die Nützlichkeit der Vorschläge evaluieren. Aufgrund dieser beiden Ratings würden EvaluatorInnen im Laufe der Zeit Punkte sammeln. Periodisch würden diejenigen Mitglieder der Universität, die in der vergangenen Periode die meisten Punkte gesammelt hätten, einen Preis für ihren Beitrag zur partnerschaftlichen Leistungskultur der Universität bekommen.
Im Vergleich zu den beträchtlichen Vorteilen wäre der mit einem solchen System verbundene Aufwand relativ klein. Sollten die Hälfte der Lehrenden der Universität einmal in drei Jahren evaluiert werden wollen, würden einzelne Mitglieder der Universität nur ca. einmal in drei Jahren aufgefordert werden, bei der Evaluierung einer Kollegin oder eines Kollegen teilzunehmen.
Forschungsevaluation in den Geisteswissenschaften
Der technische Fortschritt des 20. Jahrhunderts ging von den Naturwissenschaften aus. Nun läuft die Menschheit Gefahr, sich durch Konflikt mit Massenvernichtungswaffen oder durch Klimawandel zu zerstören. In dieser Situation könnten und sollen die Geisteswissenschaften eine zentrale Rolle spielen. Um in der modernen Welt zu überleben, muss der Mensch wie noch nie zuvor sich selbst verstehen, d.h. seine Kultur und seine Werte verstehen. Aus dieser Sicht könnte es fatal sein, die Geisteswissenschaften als nutzlos abzustempeln.
Niemand behauptet, dass geisteswissenschaftliche Forschung anwendungsorientiert sein muss. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Geisteswissenschaften nicht von anderen Wissenschaften. Die Geisteswissenschaften sollen aber auch wichtige Zeitfragen wie z.B. Geschlechterrollen in Entwicklungsländern ansprechen, damit die soziale Relevanz der Geisteswissenschaften sichtbar wird. Wie kein anderer Wissenschaftlichszweig sind die Geisteswissenschaften in der Lage, das interkulturelle Dialog zu fördern und dadurch das Risiko eines katastrophalen Weltkriegs zu verringen. Die Geisteswissenschaften könnten auch anhand von konkreten Beispielen der heutigen Politik zeigen, dass man doch aus der Geschichte lernen kann.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum GeisteswissenschaftlerInnen ihre Forschung häufig nicht evaluieren lassen (wollen). In den Geisteswissenschaften, wie in jedem anderen wissenschaftlichen Bereich auch, gibt es gute und schlechte Forschung. Wie in jeder anderen Wissenschaft wird die Qualität einer Forschungsarbeit in den Geisteswissenschaften am besten von ExpertInnen im gleichen spezifischen Bereich beurteilt. Mit anderen Worten: Kreuzgutachtung. Selbstverständlich hat jedes Kreuzgutachtungsverfahren seine Probleme. Das bedeutet aber nicht, dass der Ansatz gänzlich vermieden werden soll. Vielmehr muss das System verbessert und den Bedürfnissen des spezifischen Fachs angepasst werden.
Die Geisteswissenschaften müssen dringend ihre eigene Forschung besser evaluieren lassen, damit Außenstehende wie z.B. RektorInnen die Möglichkeit haben, gute von schlechter Forschung zu unterscheiden und gute Forschung zu fördern. Geschieht dies nicht, wird es immer häufiger vorkommen, dass Professuren nicht nachbesetzt werden. Die Geisteswissenschaften werden schrumpfen mit dem bedauerlichen Ergebnis, dass die Fähigkeit zu reflektieren vernachlässigt wird.
Frauenförderung
Im UG02 wird Gleichbehandlung und Frauenförderung unter folgenden "leitenden Grundsätzen" behandelt: Gleichstellung von Frauen und Männern; soziale Chancengleichheit; besondere Berücksichtigung der Erfordernisse von behinderten Menschen. Ich betrachte die Frauenförderung nicht als moralische Pflicht, sondern als einen strategischen Aspekt der wissenschaftlichen Qualitätsförderung:
Eine Universität,
hat ein wissenschaftliches Problem, das möglichst schnell beseitigt werden soll. Der Frauenförderungsplan der Universität Graz zeigt, wie solche Probleme nachhaltig gelöst werden können. Dieses Dokument verdient die tatkräftige Unterstützung aller Universitätsmitglieder.
© Scott Adams (1996). Dogbert's Management Handbook.
New York: HarperCollins.
Wissenschaftliche bzw. pädagogische Ziele werden nur erreicht, wenn WissenschaftlerInnen bzw. Studierende dazu motiviert sind. Wissenschaftliche Arbeit benötigt viel Zeit, Ausdauer und Kreativität - zum Teil auch Besessenheit. Die besten WissenschaftlerInnen und Studierenden sind in der Regel intrinsisch motiviert: sie interessieren sich nicht primär für externe Faktoren wie Geld und Lob (obwohl fachliche Anerkennung selbstverständlich eine wichtige Rolle spielen kann). Vielmehr werden sie durch innere Faktoren oder Bedürfnisse wie z.B. Neugier und Faszination, Selbstbild und dazugehörige langfristige Lebensplanung, oder soziales Verantwortungsbewusstsein und Altruismus motiviert.
Eine Universität, die gezielt die Qualität ihrer wissenschaftlichen Leistungen verbessern will, soll sich eingehend mit dem Thema Motivation auseinandersetzen. Als Erstes könnten ExpertInnen in Instituten wie Psychologie und Soziologie um Vorschläge und Strategien gebeten werden. Als Musikpsychologe schlage ich Folgendes vor:
Demokratie, Einbindung, Selbstwirksamkeit
Zu den wichtigsten Ressourcen der Universitäten zählen die vielfältigen Erfahrungen und Qualifikationen sowie die Kreativität der Universitätsmitglieder auf allen Ebenen. Diese Ressourcen können wie folgt genutzt werden:
Strategien:
Diese beiden Strategien sind zugleich Strategien für Selbstwirksamkeit und gegen Opfermentalität. Selbstwirksamkeit ist die Fähigkeit, aufgrund eigener Kompetenzen Handlungen ausführen zu können, die gewünschte Ziele ansteuern. Wer im Lauf des Lebens selbstwirksam agiert hat, kann sich vorstellen, auf dem Totesbett My way zu singen.
Es liegt im Interesse einer aufstrebenden Universität, dass ihre Mitglieder ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit besitzen. Dazu gehört, dass jedes Mitglied der Universität das Gefühl hat, zur Entwicklung der Universität beizutragen oder beitragen zu können. Zum Beispiel sollen möglichst alle Mitglieder der Universität gelegentlich an Sitzungen teilnehmen. Darüber hinaus sollen alle SitzungsteilnehmerInnen einen aktiven Beitrag leisten und die Verantwortung für betroffene Entscheidungen mittragen können; geschieht dies nicht, ist die Sitzung zu groß oder das Klima nicht kollegial genug. Wer selten an Sitzungen teilnimmt oder sonstigen administrativen Aufgaben übernimmt, könnte von der Universitätsadministation nach ihren/seinen relevanten Interessen und Fähigkeiten gefragt werden und nach diesen Angaben in den administrativen Alltag der Universität eingebunden werden. Dabei könnten diejenigen Unimitglieder, die schon viel zur Verwaltung beitragen, entlastet werden.
Selbstwirksamkeit wird u.a. durch die Einstellung gekennzeichnet, dass man frei ist, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen: "Ich kann...", "Wir können...", "Ich muss nicht...", "Wir müssen nicht....", "Ich möchte..." "Ich möchte nicht...". Das Opfer (d.h., eine Person mit Opfermentalität) glaubt dagegen, begrenzte Wahlmöglichkeiten zu haben: "Ich kann nicht...", "Wir können nicht...", "Ich muss...", "Wir müssen...", wobei solche Aussagen oft auch sachlich falsch sind. Ein Opfer fühlt sich machtlos, seine Situation zu verbessern und beschwert sich über Dinge, die es zum Teil selbst (aber auch unabsichtlich) verursacht hat. Durch die oben aufgeführten Strategien sollen die Mitglieder der Universität ermächtigt werden, zur Universitätsentwicklung beizutragen, sich damit zu identifizieren und in diesem Sinne die Verantwortung dafür zu teilen und zur Verbesserung ihrer eigenen Situation beizutragen.
Ein paar weitere Strategien für Selbstwirksamkeit und gegen Opfermentalität im universitären Kontext:
Solche Strategien gegen Opfermentalität können direkt oder indirekt durch die Weiterbildungsveranstaltungen der Universität und durch das Lehrangebot des Zentrums für Soziale Kompetenz gefördert werden. Im Übrigen wird das sehr vielfältige und interessante Angebot der Uni Graz leider zu wenig in Anspruch genommen (viele Universitätsmitglieder waren offenbar noch nie bei einer solchen Veranstaltung). Zu den Lösungsmöglichkeiten gehören kürzere Veranstaltungen (ein halber Tag oder ein Tag) und die vertraglich verpflichtende Teilnahme neuer Universitätsmitglieder (z.B. an mindestens einer relevanten Veranstaltung pro Jahr).
Partnerschaftliche Leistungskultur
Selbstwirksamkeit wird auch durch Kollegialität gefördert. Kollegialität bedeutet u.a. Respekt statt Obrigkeitsverhalten. Nichts spricht gegen Respekt vor Menschen mit größerer Verantwortung; noch besser ist es, alle Menschen unabhängig von Rang zu respektieren. Wiird Kollegialität nicht direkt gefördert, besteht die Gefahr des Mobbing.
Ziele:
Strategien:
Wissenschaft ist nicht gleich Science! mehr
Internationaler Ruf, internationales Profil
Ziel: den Ruf der österreichischen Universitäten international (vor allem außerhalb des deutschsprachigen Raums) pflegen
Strategien:
Interne wissenschaftliche Kommunikation
Ziele:
Strategie: jährliche Fakultätstage, die nicht nur die Fakulät der Öffentlichkeit präsentieren, sondern auch diese Ziele tatsächlich zu erreichen versuchen
Fachliche Organisation
Ziel: internationale Schwerpunkte in Lehre und Forschung bilden bzw. stärken
Strategien:
Effiziente Administration
Sitzungen. Sie sollen möglichst wenig Zeit in Anspruch nehmen, damit man mehr Zeit für Forschung hat. Möglichst alle TeilnehmerInnen sollen aktiv sein und sich zu Wort melden. Diese Ziele können erreicht werden, wenn nicht mehr als 10 Leute an eine Sitzung teilnehmen oder - wenn größere Sitzungen unvermeidlich sind - die Zeit genau geplant und Redezeitbeschränkungen eingeführt werden.
Zeitfenster für Lehrveranstaltungen. Wie an manchen anderen deutschsprachigen Universitäten üblich (ich kenne z.B. die Uni Halle) sollen alle zweistündigen Lehreinheiten (d.h. 90 Minuten) zum gleichen Zeitpunkt beginnen - 8:15, 10:15, 12:15, 14:15, 16:15, 18:15, 20:15. Diese (alte!) Idee müsste zuerst lediglich als Empfehlung des Rektorats formuliert werden; in den ersten paar Jahren der Umsetzung würden immer mehr Einrichtungen sich darauf einstellen (müssen). Ein diesbezügliches Abkommen zwischen örtlichen Hochschulen (z.B. den vier Grazer Universitäten) würde nicht nur die interne Organisation einer Universität, sondern auch die Organisation interuniversitärer Studiengänge wie z.B. Musikologie (zwischen KUG und Uni Graz) erleichtern. Außerdem hätten Lehrende dann vor Beginn and nach Ende einer jeden Einheit immer 15 zusätzliche Minuten um Geräte zu testen oder mit einzelnen Studierenden zu reden.
Stopping the "brain drain"
Ziele: gute junge WissenschaftlerInnen motiveren, langfristig in Österreich zu bleiben
Strategien:
ProfessorInnenmensa
Background: Wissenschaftliche Kontakte und Projekte entstehen oft in sozialen Situationen. Die Uni Graz hat keinen "faculty club" oder ähnliches. Die bestehende Uni-Mensa bietet ein sehr gutes Preisleistungsverhältnis an. Erstaunlich wenige wissenschaftliche KollegInnen essen derzeit in der Mensa.
Ziele: die Lebensqualität auf dem Campus erhöhen, dadurch die Produktivität der Unimitglieder erhöhen; auch zufällige bzw. interdisziplinäre wissenschaftliche Kontakte fördern
Strategie: eine "ProfessorInnenmensa" an der Uni Graz einführen (neue Räumlichkeiten, ggf. weniger Auswahl, dafür besserer Qualität); evtl. auch die "Studierendenmensa" durch ca. fünf miteinander konkurrierende Kleinrestaurants mit einem gemeinsamen Essbereich ersetzen; das Angebot soll möglichst multikulturell sein und gutes Vegetarisches beinhalten
Im Übrigen ist die Mensa der Uni Graz ein gutes Familienrestaurant. Kinder von 0 bis 99 fühlen sich dort gut aufgehoben: viel Platz, Rauchverbot, abwechslungsreiches Angebot. Wer Familie und Beruf vereinbaren will (auch im Sinne von Frauenförderung), kann die Kinder zur Mensa mitnehmen, auf das Einkaufen und das Kochen verzichten und eine Stunde für den Beruf gewinnen. Doch kaum jemand macht das - weder Frauen noch Männer.
Literatur
Belbin, R. M. (1993). Team roles at work. Oxford: Butterworth-Heinemann.
Die auf dieser Seite zum Ausdruck gebrachten
Meinungen sind die persönlichen Meinungen des Autors.
Anregungen zur
Verbesserung und Ergänzung des Inhalts sind willkommen.
© Richard Parncutt 2003-2009